3 häufige Fehler, die Eltern vermeiden können

25. Oktober, 2024 | Babyzeit

Mit der Geburt eines Babys ändert sich unser ganzes Leben. Auf einmal haben wir Verantwortung für ein kleines Leben, das vollkommen von uns abhängig ist. Werden wir das erste Mal Eltern, dann wissen wir nicht, was auf uns zukommt und versuchen alles richtig zu machen. Doch es gibt keinen Ort, an dem Menschen lernen, wie man Babys beim groß werden begleitet, wie man sie versorgt und pflegt. Eigentlich sollte dies ein Schulfach sein, denn bei einer Geburtenrate von 1,6 Tendenz sinkend haben die wenigsten die Möglichkeit am Modell zu lernen. Wir werden Eltern und sollen alles richtig machen. Wir schauen uns um und finden Vorbilder in Filmen, in Medien, in dem, was Familie und Bekannte uns raten. Doch häufig werden hier veraltete Praktiken und Ansätze vermittelt und weiter reproduziert, obwohl sie wissenschaftlich längst widerlegt sind und im schlimmsten Fall sogar Schaden anrichten können.

Hier findest du drei Fehler in der Begleitung und Versorgung von Babys, die immer noch viel zu häufig passieren. Wenn du den Artikel gelesen hast wirst du nicht in ihre Falle tappen.

Fehler 1: Stillen/ Füttern nach Uhr oder festem Rythmus statt nach Bedarf

Viele Empfehlungen zum Umgang mit Babys und Kindern stammen aus Zeiten, in denen es darum ging, den Willen von Babys und Kindern möglichst früh zu brechen, um sie zu funktionierenden, gehorsamen Befehlsempfängern heranzuziehen. Mit Ursprung im Preußentum und der Nazizeit lassen sich die immer wieder auftauchenden Ratschläge, dass Säuglinge nicht öfter als alle vier Stunden gefüttert oder gestillt werden sollten weit zurück datieren. Statt diese veraltete Sicht auf Kinder gründlich zu überdenken und zu reflektieren woher die Empfehlungen stammen und aus welchem Grund sie getroffen wurden – nämlich nicht, um das Wohl des Kindes zu fördern, werden sie bis heute weitergetragen. Das Buch die deutsche Mutter und ihr erstes Kind von Johanna Haarer, das bis 1986 immer noch in leicht veränderter Form verlegt wurde, propagiert eine nächtliche Stillpause von 8 Stunden und tagsüber nicht häufiger als im 4 Stunden Rythmus zu stillen. Und auch heute gibt es immer noch Ärzt*innen, Fachmenschen aber auch Freunde oder Bekannte, die ähnliches empfehlen. Stell dir vor, wie es wäre, wenn dir vorgeschrieben würde, dass du nur 3 Mahlzeiten zu dir nehmen darfst, wie lange sie dauern dürfen und zu welcher Uhrzeit sie stattfinden. Nun sind wir größer und mehr in der Lage unsere Bedürfnisse zurückzustellen. Auch hängt unser Überleben heutzutage eher nicht davon ab, dass wir mehrere Mahlzeiten zu uns nehmen. Bei Säuglingen ist das anders. Stillen ist zwar mehr als nur Nahrung, es ist auch Beruhigung, Regulation, es ist Nähe und Geborgenheit, es ist Sicherheit und Trost. Doch es ist eben auch überlebenswichtige Quelle von Energie. Bei Babys, die zum Beispiel wegen Krankheit das Stillen verweigern besteht je jünger das Kind umso schneller Handlungsbedarf, weil sie sehr schnell dehydrieren und damit in Lebensgefahr geraten können.

Ein ruhig schlafendes Kind, das keine Bedürfnisse anmeldet mag zwar in den Augen von Johanna Haarer das perfekte Baby gewesen sein – heute würden wir das mit Besorgnis beobachten. Denn ein gesundes und fittes Kind wird sich von sich aus melden und stillen wollen.

Stillen nach Bedarf bedeutet, dass wir die Uhr verbannen und den Gedanken an feste Rythmen über Bord werfen. Stattdessen wird gestillt, wann immer Babys an die Brust wollen. Und zwar nicht erst, wenn sie verzweifelt Schreien, sondern schon bei den ersten Hungerzeichen, die sich z.B. in einem Schürzen der Lippen oder Drehen des Kopfes bemerkbar machen. Es ist sinnvoll, sich mit den frühen Zeichen auseinanderzusetzen und die Körpersprache des eigenen Babys lesen zu lernen. Das Gute ist: wir können nicht zuviel stillen. Das bedeutet du kannst deinem Säugling jederzeit die Brust anbieten, auch wenn du gerade noch nicht sicher bist, ob es wirklich Hunger hat oder ob vielleicht ein Pups quersitzt. Du kannst nichts falsch machen beim Stillen nach Bedarf. Und Bedarf bedeutet auch, dass du auch die Brust anbieten kannst, wenn es nicht danach verlangt aber deine Brüste dir signalisieren, dass es Zeit ist zu stillen. So mancher schmerzhafter Milchstau entsteht durch plötzliche oder zu lange Stillpausen.

Wie oft ein Baby dann tatsächlich stillt ist übrigens sehr unterschiedlich. Babys, die im Familienbett schlafen stillen häufiger. Durchschnittlich stillen Babys 11 bis 12 mal in 24 Stunden, was bedeutet, dass es genauso normal ist, wenn dein Baby 18 mal in 24 Stunden stillt oder phasenweise alle 10 Minuten an die Brust möchte. Und: das Hungergefühl von Babys kann sich ständig ändern. In Wachstums- und Entwicklungsschüben genauso wie als Reaktion auf Keime, Krankheiten. Genauso durch veränderte Bedingungen, erlebnisse oder Reize. Es gibt kein „so ist es und so bleibt es“. Das ist etwas, was frischgebackene Eltern schnell lernen. Weder beim Schlaftythmus noch beim Stillen – alles kann sich von einem Tag zum nächsten ändern.

Klar ist: Das Stillen nach Bedarf fördert die körperliche Gesundheit und das Wachstum des Babys und stärkt darüberhinaus die emotionale Bindung zwischen Eltern und Kind. Starres Füttern nach Rythmus, Zeitplan oder Uhr kann zu Unterernährung oder Stress führen oder sogar in der gefürchteten Spirale aus Schlaf und Dehydrierung münden. Dabei ist noch nicht berücksichtigt, was mit Babys passiert, die nach Uhr gestillt werden ohne körperliche Beeinträchtigung zu erleiden. Denn Babys kommen auf die Welt mit dem Urvertrauen, dass es Menschen gibt, die sich um es kümmern und versorgen werden. Stattdessen werden sie sich selbst überlassen, ihrem Hunger und dem unangenehmen Gefühl von Alleinsein, wenn ihnen die Nähe und Nahrung nur nach Vorgabe und nicht nach Bedürfnis zugeteilt wird. Die Folge ist der Verlust des Urvertrauens und auch des Vertrauens in die Fürsorge-und Bindungspersonen. Kinder, die eine Verknappung wie diese erfahren und in ihr aufwachsen können später als Erwachsene mit unterschiedlichen Themen zu kämpfen haben. Das können Glaubenssätze sein wie „ich sollte mich selbst nicht so wichtig nehmen“ und „ich darf niemandem zur Last fallen“ über Probleme die eigenen Bedürfnisse oder Gefühle überhaupt wahrzunehmen und in der Folge auch sich gut zu versorgen inkl guter eigener Grenzen zu etablieren usw. Im Umkehrschluss bedeutet es nicht, dass nach Bedarf gestillte Kinder zu erwachsenen werden, die niemals psychische oder emotionale Themen oder Probleme haben – doch wir verhindern zumindest, dass wir schon erste Risse in dem Gefühl für sich selbst zustande kommen lassen, in dem wir ihnen durch Praktiken wie diese die Berechtigung ihrer Bedürfnisse absprechen.

Fehler 2: Zu frühes hinsetzen

Ein großer Fehler ist es, Babys zu früh in Positionen zu bringen, die sie aus eigener Kraft noch gar nicht einnehmen könnten. Besonders beliebt ist es Babys auf die Füße zu stellen oder sie in eine sitzende Position zu bringen, bevor sie die nötige Muskulatur entwickelt haben, um selbstständig zu sitzen.

Eltern tun dies in der Annahme, dass es ihrem Baby hilft, schneller mobil zu werden oder mehr von der Umgebung wahrzunehmen. Auch die Ungeduld von Eltern mischt sich hier oft gerne ein, ebenso wie der Gedanke, dass Positionen wie das Sitzen geübt würden, wenn man das Baby in diese bringt. Das ist nicht der Fall. Das System des Babys ist völlig überfordert davon, weil es weder ein hinein noch ein hinaus kennenlernen konnte, sondern passiv in eine Position gebracht wird, die es selbst nicht eingenommen hat. Weder die Muskulatur noch andere Körperstrukturen sind ausreichend auf die Position vorbereitet. Denn bevor Babys sich selbst hinsetzen liegen sie in der Bauchlage, wippen mit dem Po und durchlaufen einige andere notwendige Vor-Erfahrungen und Bewegungsmuster, die ihr Nervensystem und ihren Körper auf die kommende vorbereiten.

Wenn Babys in eine Position gebracht werden, die sie selbst noch nicht halten und vor allem, die sie selbst noch nicht wieder aus eigener Kraft auch verlassen können, kann dies die natürliche motorische Entwicklung stören, zu Fehlhaltungen führen und die Wirbelsäule unnatürlich belasten. Es ist getreu dem Motto von Emmi Pikler „lass mir zeit“ wichtig, das Kind in seiner eigenen Zeit und in seiner eigenen Entwicklung zu unterstützen, anstatt es zu früh in eine unnatürliche Position zu bringen.

Unzufriedenheit des Babys oder Ungeduld der Eltern oder anderer Erwachsenen sollten nicht ausschlaggebend dafür sein, die natürliche Bewegungsentwicklung des Babys zu unterbrechen. Unsicherheiten von Eltern, ob es ok ist, wenn das eigene Kind immer noch liegt, während im Babykurs die anderen Babys sich drehen können sind können meist schnell entkräftigt werden. Mit Sorgen oder Zweifel sollten Eltern sich an ihre Kinderärztin oder eine Fachperson wenden und nicht aus eigener Idee heraus Mobilitätsübungen wie das hinsetzen mit dem Baby durchführen.

Fehler 3: Schlaflern-Programme

Die Vorstellung, dass ein Baby durchschlafen können sollte ist tief in der Gesellschaft verankert. Geprägt von der Angst, dass wir Kinder zu sehr verwöhnen könnten oder uns von ihnen auf der Nase herumtanzen lassen. Beim zweiten Punkt zeigt sich, dass es hier um Macht geht. Oder um die Angst, die eigene Selbstbestimmung und Macht zu verlieren – an ein kleines Wesen, das vollkommen von uns abhängig ist. Du wirst schon sehen, was du davon hast…. die Drohnung, die so oder ähnlich gern an Eltern gerichtet wird, die sich kritisch ggü. Methoden, die man der schwarzen Pädagogik zuschreiben könnte, zeigen.

Dabei würde sich schon viel auflösen, wenn wir nicht mehr die Sicht auf Kinder von anno dazumal weitergeben würden sondern uns mit der neueren Forschung auseinandersetzen würden. Denn längst ist bekannt, dass Babys und Kinder anders schlafen als Erwachsene, dass ein „Durchschlafen“, wie Erwachsene das verstehen von der Natur gar nicht vorgesehen ist und Babys andere Schlafphasen durchlaufen. Sie müssen nicht schlafen lernen. sie können schlafen, wie jedes Lebewesen, das geboren wird. Sie schlafen aber eben anders – und das ist kein Fehler, sondern hilfreich und notwendig für ihr Überleben.

Trotzdem gibt es immer noch Schlaflernprogramme, wie die berüchtigte Ferber-Methode. Und auch Schlafcoachings scheinen Hochkonjunktur zu haben. Erschöpfte, verunsicherte Eltern sind einfach gute Kunden.

Doch was hat es mit Schlaflernprogrammen wie der Ferber Methode auf sich? Hier sollen Babys über festgelegte Zeiträume hinweg allein gelassen werden, um das Schlafen zu lernen. Sie sollen allein in einem Bettchen, dass allein in einem Zimmer steht einschlafen lernen – ohne Einschlafbegleitung, ohne Körperkontakt, ohne das Gefühl, da ist eine Bindungsperson, die mich beschützen kann und wird. Wir müssen uns vorstellen: Babys kommen auf die Welt in dem Urvertrauen, dass sie geliebt und beschützt werden. Und sie landen in einer Situation, in der sie vollkommen allein in einem Bettchen liegen. Nach neun Monaten, in denen sie im Bauch ihrer Mutter niemals allein oder getrennt waren ist da kein Herzschlag, keine Wärme einer weiteren Person, kein Atemzug, nichts. Nur vollkommene Stille und Dunkelheit. Welche erwachsene Person würde sich dabei so wohlfühlen, dass sie gut einschlafen könnte?

Menschen, egal welchen Alters, benötigen das Gefühl von Sicherheit, um gut in den Schlaf zu finden. Wer schon mal im Garten gezeltet hat weiß, wie sich Geräusche plötzlich bedrohlich anfühlen können und verhindern, dass wir gut einschlafen. Von den kleinsten Wesen erwarten wir aber genau das? Dass sie ohne sich geschützt und beschützt zu fühlen alleine einschlafen sollen. Und bitte ohne vor Angst und Verzweiflung zu weinen und zu schreien. Denn das ist der Teil, der in vielen Schlaflernprogrammen – ja, Programm ist. Nämlich, auch, wenn das Baby weint soll es nicht getröstet werden. Bzw nur in vorgegebenen Abständen darf für einen kurzen Moment das Zimmer betreten werden – danach muss das Baby wieder allein zurückgelassen werden. Es wird seiner Angst und sich selbst überlassen. Und ihm wird die Co-Regulation, von der wir wissen, wie wichtig sie für Babys und Kinder ist – eben weil ihr Nervensystem unreif auf die Welt kommt und unbedingt darauf angewiesen ist – verweigert.

Schlaflernprogramme funktionieren. Das bedeutet nicht, dass sie gut sind. Es bedeutet, dass das unreife Nervensystem des Babys mit Stresshormonen so sehr geflutet ist, dass es sich irgendwann abschaltet – eine Überlebensfunktion. Wenn Babys in diesen Notfallmodus geraten ist das kein Erfolg. Es ist das Inkaufnehmen von Traumatisierung zugunsten einer pädagogisch zweifelhaften und veralteten Idee, die immer noch auf der Vorstellung fußt, dass Babys uns um ihren Finger wickeln und wir unsere Macht an sie verlieren. Oder dass wir verpassen würden sie zu erziehen und später darunter leiden werden.

Babys resignieren, sie geben auf. Sie lernen, dass ihre Bedürfnisse und ihr Schmerz nicht gehört werden, nicht zählen, nicht wichtig sind. Sie verlieren das Urvertrauen in die Welt und in ihre direkten Bezugspersonen. Wenn ich weine wird keiner kommen…. Ihr System schaltet sich ab und wird diesen Weg auch in anderen Situationen wählen. Sie lernen nicht sich zu regulieren. Sie lernen sich auszuklinken.

Was für Folgen daraus entstehen ist unklar. Studien dazu gibt es keine, denn ethisch wären solche Studien nicht vertretbar. Sehr anzunehmen ist, dass sich aus frühen Erlebnissen Muster bilden, die uns durch unser Leben begleiten. Vielleicht haben Menschen so gelernt, dass es gut fürs Überleben ist keine Bedürfnisse zu haben, sich selbst nicht wichtig zu nehmen, anderen nicht zur Last zu fallen, sich abzuschalten und keine Grenzen zu haben – das alles mag nicht jetzt in den Babyjahren Bedeutung haben, doch es sind genau die Themen, die zu viele Erwachsene Menschen mit sich herumtragen. Auch das Gefühl von Verlassenheit und Einsamkeit kann sich tief verwurzeln.

Kinder allein einschlafen zu lassen, sie nicht zu trösten, sie gezielt und bewusst schreien zu lassen ist einer der größten Fehler, den Eltern machen können. Kinderärzt*innen und Hebammen warnen vor der Ferber Methode und das zugehörige Buch steht auf vielen „schwarzen Listen“ von Menschen, die sich medizinisch und fachlich mit der gesunden Entwicklung von Kindern auseinandersetzen.

Nicht unsere Kinder müssen schlafen lernen. Wir müssen lernen, Eltern zu sein. Und wir dürfen lernen, unsere eigenen Bedürfnisse wieder zu spüren, was uns selbst wahrscheinlich abtrainiert wurde – so dass wir besser für uns sorgen können.

Bauchgefühl ist auch nicht die Lösung

In vielen Ratgebern wird empfohlen, dass Eltern auf ihr Bauchgefühl hören sollen. Dabei wird vergessen, dass dieses ominöse Bauchgefühl eine umstrittene Sache ist – oder zumindest etwas, das wohl doch eher auf Lernen und Erfahrungen beruht und uns nicht so sehr zufliegt wie gedacht. Wie sonst sollte erklärt werden, dass reihenweise Eltern ihre Babys sich in den Schlaf weinen lassen oder danebenstehen, wenn sie vor Hunger schreien aber in beiden Fällen ihnen Nahrung, Nähe und Schutz vorenthalten, weil irgendwann mal irgendwelche Menschen dies genau so empfohlen haben – und es seitdem weitergebeben wird als die Art, wie wir mit Babys umzugehen haben? Was soll uns auch das Bauchgefühl sagen, wenn wir einen Türhopser oder Gehfrei geschenkt bekommen von Menschen, die denken, dass sie uns etwas gutes tun und keine Ahnung haben, dass sich beides negativ auf die Bewegungsentwicklung des Babys auswirken kann. Uns fehlt die Erfahrung, wie wir mit Babys umgehen und das Wissen. Dann kommen gute oder schlechte Ratschläge von Menschen, die es genauso wenig besser wissen und schon sind wir überzeugt unserem Kind und uns damit etwas gutes zu tun oder zumindest „das richtige“ zu tun. Das Gute ist: bei vielen Themen können wir step by step unsere Erfahrungen sammeln. Wir können gemeinsam mit unseren Kindern wachsen, Erfahrungen machen, lernen Eltern zu sein. Andere, wie die drei hier vorgestellten Themen, haben ungünstige Auswirkungen auf die Entwicklung unseres Babys, die wir unbedingt vermeiden sollten.